Zwischen 1966 und 1973 reiste ich in den Semesterferien mal allein, mal mit Freund oder Freundin durch Marokko, durch die Türkei und durch den Iran, bis hin nach
Afghanistan, Pakistan und Indien.
Damals, lange vor Globalisierung, Internet und weltweit vernetztem Fernsehempfang waren Afrika und Asien noch weitgehend unbekanntes Terrrain. Es gab - abgesehen von den
Rucksackreisenden - kaum Tourismus und nur vergleichsweise bescheidene Wirtschaftskontakte mit den Europäischen Ländern.
Abgeschottet von unserer westlichen Welt eröffnete uns „der Orient“ eine verzauberte Welt voller berückender und beängstigender Abenteuer. Das Reisen war ein einziger Rausch.
Mich faszinierte die islamische Architektur und Musik, ich war schockiert von Burka und Schleier, überwältigt von der überbordenden Gastfreundschaft und überrascht von dem Respekt, den wir als
junge blonde, unverschleierte Frauen erfuhren - solange wir uns den herrschenden Gepflogenheiten fügten.
Heute, 2013, reisen wir sicher und bequem durch die Kontinente.
Marokko ist längst entdeckt und beliebt bei den europäischen Touristen. Es ist ein vergleichsweise stabiles arabisches Land, auch wenn in Casablanca und Marrakesch vor Jahren ein paar
Fremde in die Luft gesprengt wurden.
Die politischen Brandherde meidend lassen wir Besucher von heute uns nach wie vor sorglos von Europa nach Afrika übersetzen.
Wir sind die vom materiellen Glück verwöhnten Bewohner des europäischen Paradieses. So sieht man uns in Afrika. Und nicht nur dort.
Was also wollen wir in den islamischen Ländern? Was will ich? Was suche ich?
Das Fremde zu erleben, das Schreckliche und das Schöne ohne Vorbehalte verstehen zu lernen und dadurch vielleicht auch mich selbst und meine eigene Kultur besser zu verstehen und sie dem
Fremden verständlich zu machen - um diesen Prozess der Kommunikation ging es mir immer .
Andalusien mit seinem orientalischen Flair zog mich an.
Seit 1980 verbringe ich dort immer wieder Wochen und Monate und befasste mich intensiv mit seiner Geschichte und dem maurischen Erbe.
Im März 2002 wurde ich in den Iran zu einem ersten internationalen Autorentreffen eingeladen, dem „Global Seminar on Fiction and Dialogue among the Cultures“.
Seither befinde ich mich in intensivem Austausch mit der Initiatorin des Seminars, der Friedensaktivistin und Projektmanagerin Shiva Kambari.
Ich vertiefte mich immer mehr in die Literatur aus Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten, begeistert von der Kraft, der Leidenschaft und Intensität der Sprache.
So entstand allmählich die Idee, in Andalusien - der Brücke zwischen Afrika und Europa, d.h. zwischen islamisch und christlich/jüdisch geprägten Kulturen - einen Ort der multikulturellen
Begegnung zu schaffen. Einen Ort, an dem Kultrschaffende aus Nordafrika und Europa eine Zeitlang in Ruhe miteinander leben und arbeiten können und unsanschließende an ihren
gemeinsamen Erfahrungen teilhaben lassen.
Im Frühjahr 2012 gründete ich zusammen mit Isis Mrugalla den Verein „Alondra Institute“.
Peter Ripken wurde unser Schatzmeister. Ruthard Stäblein ist inzwischen stellvertretender Vereinsvorsitzender.
Da sich unser persönlicher Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in Deutschland befindet und die Lesereisen und Diskussionsabende vor allem hierzulande stattfinden sollen, haben wir 2014 in
Frankfurt/Main den gemeinnützigen "Förderverein Alondra Institute" gegründet.
Die Spannungen und die nicht endenden kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten sowie die Flüchtlingsbewegungen nach Europa haben uns bewogen, die Auswahl der Stipendiaten
nach Osten hin auszuweiten.
Für Frühjahr 2017 ist in Frankfurt eine öffentliche Vorstellung des Alondra-Institutes geplant.
Die erste Veranstaltungsreihe mit zwei Schriftstellerinnen wird im Herbst 2017 stattfinden.
Doris Lerche, September 2016